Update: Der "gravierende Vorteil" von Anno 2012 wurde leider sehr schnell von Google aus dem System entfernt und macht diesen Artikel zur Makulaur.

Ein gravierender Vorteil eines Android-Handies ist für mich der integrierte SIP-Client.
Ein integrierter SIP-Client war schon damals Kaufargument für mein Nokia E60 anno 2005 oder 2006 und mitunter der Grund, nicht einmal mit dem Gedanken zu spielen, mir ein iPhone zuzulegen (welche auch in der aktuell siebten Generation noch keine SIP-Unterstützung bieten).

Was ist VoIP/SIP und worin liegen die Vorteile?

VoIP steht für "Voice over IP", auf gut Deutsch "Stimme via Internetprotokoll", SIP ist das für VoIP nötige Netzwerkprotokoll.

Die Verbindung wird hierbei via Internet und Paketdaten statt wie mit einem normalen Festznetztelefon als Dauerverbindung zur Vermittlungsstelle aufgebaut.
Wer einen "Komplettanschluss" bei 1&1 oder kabelBW hat, nutzt VoIP wahrscheinlich schon, ohne dass er davon weiß, denn auch hier stellt der Router eine VoIP-Verbindung her – eine Telefonleitung in diesem Sinne ist nicht mehr vorhanden.

Während man einen analogen oder ISDN-Festnetzanschluss (von Tricks wie Rufumleitung mal abgesehen) nur von zu Hause aus nutzen kann, wenn man das Telefon in die dafür vorgesehene Dose stecke, ist der VoIP-"Anschluss" genau so wenig ortsgebunden, wie das E-Mail-Postfach:
Man muss sich nur mit seinen Zugangsdaten am VoIP-Server anmelden – egal, wo man sich geographisch befindet. Man kann also von überall auf der Welt telefonieren und erreichbar sein – zu denselben Konditionen, wie zu Hause auf der Couch.

Man mag sagen "Für was brauch' ich das – mit der Handynummer bin ich auch überall erreichbar", doch macht es doch einen kleinen Unterschied, ob man im Südseeurlaub zu den Roaming-Konditionen seines Handy-Betreibers oder via Hotel-WLAN zu den Konditionen seines heimischen "Festnetzanschlusses" telefoniert (inzwischen meistens zum Nulltarif). Außerdem hat man den VoIP-Festnetzanschluss meist sowieso schon.
Vorteil einer Handynummer gegenüber einer Festnetznummer ist, dass man unter dieser Nummer immer und überall erreichbar ist (ob man will oder nicht), dank VoIP und einem VoIP-fähigen Handy gilt dies auch für die Festnetznummer. Und vor allem: Zu günstigeren Konditionen für den Anrufer.

Das Festnetztelefon habe ich, als ich mir das erste Handy mit SIP-Client zugelegt hatte, eingemottet. Denn für was brauche ich noch einen zusätzlichen Apparat zum telefonieren? Damit war noch dazu das Problem gelöst, dass man Telefonnummern immer in zwei Adressbüchern pflegen musste: In dem vom Handy und in dem vom Festnetztelefon.

Wenn mich jemand auf meiner Festnetznummer anruft, klingelt bei mir nur mein Handy, welches sowieso meistens in meiner Nähe ist, und nicht ein oller Festnetzapparat, der im besten Fall noch im Flur auf der Ladeschale steht, im schlimmsten Fall in irgendeinem Zimmer liegen gelassen wurde.

Seit 2005 fahre ich damit jedenfalls sehr gut.
Okay, ich muss zugeben: Ich bin kein Vieltelefonierer. Ich telefoniere vielleicht einmal in drei Monaten (!). Aber es funktioniert.

Mehrpersonenhaushalt? Jeder kann sein Handy, sofern es technisch dazu in der Lage ist, mit dem VoIP-Account verbinden. Was war das vor 20 Jahren noch für ein Luxus mit Telefonanlagen und mehreren Apparaten!

 

There's an app for that!

Dieser Slogan wurde durch Steve Jobs berühmt und dies gilt auch für VoIP: Zahlreiche VoIP-Programme für Android und iPhone (und wahrscheinlich auch für "die anderen") tummeln sich in den jeweiligen Stores. Aber wieso ein extra Programm, wenn's auch ohne geht? Vor allem: Durch den integrierten SIP-Clienten in Android...

  • muss ich mir nicht erst ein separates Programm raussuchen, installieren und ggf. noch dafür bezahlen
  • muss ich nicht ein weiteres Programm offen haben / starten, um erreichbar zu sein
  • kann ich direkt über das Adressbuch, wo ich normalerweise auch die Anrufe via Mobilfunk starte, meine VoiP-Telefonate starten 
  • habe ich dieselbe Oberfläche, wie auch beim Telefonieren via Mobilfunknetz

Die Anbieter verschiedener VoIP-Dienste wie zum Beispiel sipgate bieten eigene Apps an. Vorteil ist hier natürlich, dass ich mir um die Einrichtung nicht viel Gedanken machen muss. Ich starte das Programm, gebe meinen Benutzernamen und Passwort ein und kann lostelefonieren. STUN- und Proxy-Adresse? Was ist das?
Auf der anderen Seite funktionieren diese Programme dann auch nur für die VoIP-Dienste eben dieser Anbieter. Ebenso, wie man mit dem GMail-E-Mail-Programm nur seine gmail-E-Mails abrufen kann.

 

Einer für alle

Will ich den nativen SIP-Clienten von Android nutzen (enthalten in Vanilla-Android ab Version 2.3.4), muss ich schon ein paar Daten mehr wissen, als nur meinen Benutzernamen und Passwort.

Auf der anderen Seite kann ich mich so (theoretisch) bei jedem x-beliebigen VoIP-Anbieter anmelden. Die sipgate-App funktioniert nur bei sipgate.

An sich ist das Einrichten von VoIP ähnlich dem Einrichten eines E-Mail-Accounts im E-Mail-Programm am heimischen Computer: Man benötigt neben Benutzernamen und Passwort auch noch die Adresse des einen oder anderen Servers, mit dem die Verbindung herzustellen ist. 
Diese ganzen Eckdaten, wie Benutzername, Passwort, Server, Portnummer (normalerweise 5060) und Transport-Protokoll (normalerweise spielt es keine Rolle, ob TCP oder UDP), sollte man also schoneinmal parat haben.

 

Einrichtung

VoIP-Leitungen kann man im Android-Telefon-Programm einrichten.
Dazu einmal die Menü-Taste drücken und "Einstellungen" wählen. Ganz unten befindet sich der Punkt "Konten". Hier ist sind die Zugangsdaten für den VoIP-Account einzugeben.

Außerdem kann man bei der darunter befindlichen Einstellung "Internetanrufe verwenden" einstellen, wann die VoIP-Leitung bei ausgehenden Anrufen zur Verfügung stehen will. Ich empfehle "Bei jedem Anruf fragen". So hat man die Wahl, ob man den Anruf über das Mobilfunknetz oder über die VoIP-Leitung machen will.

 
Unter "Konten" werden alle angelegten SIP-Konten aufgeführt. Es lassen sich theoretisch mehrere "Leitungen" hinzufügen – je nachdem, wie praktikabel es ist, unter sehr vielen Telefonnummern erreichbar zu sein.

Bei der Einstellung "Eingehende Anrufe annehmen" lässt sich einstellen, ob man die VoIP-Leitung nur zum raustelefonieren benutzen will, oder ob auch Anrufe angenommen werden sollen – also dass das Telefon klingelt, wenn jemand auf der Festnetznummer anruft.
Letzteres hat Vor- und Nachteile. Natürlich will man auch erreichbar sein, wenn man sich die Mühe macht, diese ganze Geschichte einzurichten. Auf der anderen Seite kostet das erreichbar-sein einiges an Akku-Leistung. Davor wird, wie im Bild rechts zu sehen, schon gewarnt und der Akkuverbrauch bei einer SIP-Dauerverbindung ist tatsächlich enorm.

In den Anfängen des Android-SIP-Clients funktionierte die ganze Geschichte nur bei einer WLAN-Verbindung. Somit konnte man von unterwegs seine Festnetznummer nicht verwenden, der Akku-Verbrauch war allerdings kaum spürbar: Nur zu Hause oder wo man sonst noch WLAN hatte, bestand eine Verbindung, die ich nicht mal als all zu sehr Akku-fressend in Erinnerung hatte.
Dies änderte sich in Android 4.1: Seitdem funktioniert der SIP-Client auch, wenn die Internetleitung über das Mobilfunknetz läuft. Nun ist man vollends mobil erreichbar – allerdings ab dem späten Nachmittag überhaupt nicht mehr, da der Akku dann leer ist.
Hier wäre eine Wahl-Möglichkeit wünschenswert (z.B. Eingehende Anrufe annehmen: Nein / Ja, immer / Ja, nur bei WLAN), ist allerdings auch in Android 4.4 noch nicht aufgetaucht.

Ein guter Grund, doch auf ein alternatives VoIP-Programm zu setzen, das einem die Wahl gibt. Ist zwar traurig, auf eine alternative Lösung zu setzen, die wieder zusätzlich Arbeitsspeicher verbraucht obwohl man eigentlich alles nötige an Board hat, wer mit dem Akkuverbrauch des nativen SIP-Clienten nicht leben kann, dem sei es an's Herz gelegt.
Ich gehe später noch einmal darauf ein.

 
Zurück zur Einrichtung.
Legt man ein neues Konto an, muss man einige Dinge eingeben.
Nutzername, Passwort und Server-Adresse sind beim Dienstleister zu erfragen.

Mal am Beispiel 1&1:

Nutzername ist die VoIP-Nummer inklusive Vorwahl und Landesvorwahl, aber ohne führende Nullen.
Zum Beispiel: 497622123456

Passwort wird selbst im Kundencenter von 1&1 festgelegt.

Server: sip.1und1.de

Optionale Einstellungen sind für diesen Fall nicht notwendig.

 

Wie nutze ich es?

Die Nutzung ist recht simpel:
Sofern beim ersten Einstellungs-Bildschirm "Für alle Anrufe verwenden" eingestellt wurde, kommt nach dem Wählen einer Telefonnummer oder bei der Auswahl eines Kontaktes aus dem Adressbuch die Frage, ob die Verbindung über das VoIP-Konto oder über das Mobilfunknetz hergestellt werden soll.
Einen Unterschied in der Bedienung gibt es nicht.

Sofern beim zweiten Einstellungsbildschirm "Eingehende Anrufe annehmen" aktiviert ist, klingelt das Telefon auch, wenn jemand auf der Festnetznummer anruft.

Doch lieber ein alternatives Programm?

Ich schwärme für Android und kaufte mir ein Android-Handy, weil VoIP "on board" ist und keine zusätzliche Software installiert werden muss, doch seit Android 4.1 setze ich nun doch eine zusätzliche Software ein.
Der Grund ist weiter oben Beschrieben: Seit Version 4.1 wird die Verbindung mit dem SIP-Server nicht nur bei WLAN, sondern auch über das Mobilfunk-Datennetz hergestellt, was zu einem deutlich spürbaren Verlust der Akkuleistung führt.
Schön und gut, wenn ich theoretisch abends in der Bar die Festnetzleitung nutzen könnte, unschön, wenn ich es doch nicht kann, weil mein Akku leer ist.

Bis Google dem Nutzer die Wahl bietet, um via Einstellung selbst auszuwählen, ob die Verbindung nur bei WLAN oder immer hergestellt werden soll, nutze ich CSipSimple, welches unter Einstellungen > Einfache Konfiguration die gewünschte Option bietet (die Optionen "Immer erreichbar" und "Nur ausgehende Verbindungen" entsprechen der Option "Eingehende Anrufe annehmen" beim Android-SIP-Clienten).

Bis auf den Umstand, dass nun noch ein weiteres Programm im Hintergrund läuft und Arbeitsspeicher verbraucht (nur, sofern verbunden), merkt man von CSipSimple nicht viel. Man muss es nicht explizit öffnen, um jemanden anrufen – man kann aus dem Standard-Telefonwähler eine Nummer wählen oder aus dem Adressbuch einen Kontakt auswählen. Sofern CSipSimple verbunden ist, erscheint darauf die Frage, ob der Anruf über das GSM-Netz oder die VoIP-Leitung durchgeführt werden soll.

Ankommende Anrufe werden auf dem Bildschirm leicht anders dargestellt, als sonst gewohnt, aber dies ist verschmerzbar.